Aus der kroatischen Trainerschmiede: Von Alfred Balen zu Bruno Silic  

Trainerwechsel bei Mladost Zagreb


VON DR. GÜNTER SCHWILL

Einer der renommierten Trainer im internationalen Wasserball, der Kroate Bruno Silic, übernimmt ab sofort die sportliche Leitung bei Mladost Zagreb. Silic löst den bisherigen Mladost-Coach Ozren Bonacic ab, dem selbst das Erreichen des diesjährigen Champions-League-Finales den Posten bei Mladost nicht sichern konnte. Der offen ausgetragene Streit mit der Wasserball-Legende Dubravko Simenc, den Bonacic in den letzten Spielen auf die Tribüne verbannt hatte, mag der Auslöser für die Trennung geworden sein.   Mit dem 41jährigen Bruno Silic (geb. 1.12.1958) übernimmt ein international sehr erfahrener Trainer die Chefposition beim kroatischen Rekordmeister Mladost Zagreb. Mit einem neuen Hauptsponsor, der Versicherungsgesellschaft Osiguranje Zagreb im Rücken - ab sofort auch im Vereinsnamen von Mladost -  und mit Hilfe der LEN, deren Regeländerung Mladost auch in der kommenden Saison in der Champions League spielen lässt, blickt der Hauptstadt-Club wieder optimistisch in die Zukunft.

Mit dieser Vita empfahl sich Bruno Silic: Neben seiner Spielerkarriere betreute Silic schon früh die Jugend seines Vereins Jadran Split. Dann übernahm er die Männer, die er in der Saison 1990/91 zur letzten jugoslawischen Meisterschaft führte. In den Kriegswirren 1991 ging Silic nach Slowenien und arbeitete ein Jahr lang erfolgreich bei Triglav Kranj. Sein Abschluss war die Landesmeisterschaft. 1992 wechselte er nach Griechenland und betreute zwei Jahre lang Glyfada. Auch diesen Club führte er zur Meisterschaft. Mladost holte Silic 1993 nach Kroatien zurück. Zwei Jahre nacheinander wurde er hier Landesmeister und einmal Pokalsieger. Dann rief die Nationalmannschaft. Sie brachte Silic 1996 in Atlanta ins Olympiafinale gegen Spanien. Kroatien verlor den Kampf um die Goldmedaille 5:7, ein Endspiel-Schiedsrichter war der Hamburger Rolf Lüdecke. Silic selbst durfte im Finale wegen einer Matchstrafe nicht an den Beckenrand. Unglücklich und machtlos sass er auf der Tribüne. Trotz "Silber" verlängerte die Verbandsführung seinen Vertrag nicht. Silic ging zurück an die dalmatinische Küste nach Split. Im Sommer 1999 erhielt er den Ruf nach Italien, um den wankenden Koloss Pescara aufzufangen. Estiarte, Van der Meer, Roberto Calcaterra und Mladen Trbojevic hatten die langjährige Topadresse verlassen. Mit dem Rest aber und zwei mitgebrachten Kroaten gestaltete Silic eine durchaus sehenswerte Saison. Im LEN-Cup kam er bis ins Finale und unterlag nur dem übermächtigen Gegner Jug Dubrovnik. Nun ist in Zagreb Not, da ist Silic der rechte Feuerwehrmann. Wie in einem Trainerkarussell wird sein Vorgänger bei Mladost, der 58jährige Ozren Bonacic, einst Olympiasieger von Mexiko 1968, sein Nachfolger bei Triglav Kranj in Slowenien. Er gewann den Posten gegen den mitkonkurrierenden Dragan Matutinovic, den letztjährigen Champions-Sieger mit Splitska Banka. Matutinovic benötigt unbedingt ein Auslandsengagement, da ihn sein kroatischer Verband wegen der verbalen Entgleisungen im Meisterschaftsfinale Split-Jug für 10 Monate im Inland gesperrt hat. Er könnte jede Nationalmannschaft in wenigen Jahren an die Weltspitze bringen, so wie er es in Spanien Anfang der 90er Jahre gezeigt hat.  

Immer wieder Spitzenleute aus Kroatien

Einer der erfolgreichsten kroatischen Trainer war Alfred Balen, der Spandau von 1969 bis zu seinem Tod 1986 betreute und ganz grosse Erfolge, 8 Meisterschaften und ebenso viele Pokalsiege, drei Europacup-Trophäen sowie sieben nationale und zwei internationale Supercups gewann. 1972 sass Balen in München als Co-Trainer der Jugoslawen auf der Bank der Olympia-Auswahl, unter seinem verehrten Lehrmeister Aleksandar Seifert (gestorben 1993), bei dem er einst seine Trainerkarriere gestartet hatte. Heute weltweit bewundert wird der gebürtige Kroate Ratko Rudic, derzeit Nationaltrainer Italiens. Drei Goldmedaillen und einmal Bronze als Trainer gewann er bisher bei Olympischen Spielen. Er ist längst italienischer Staatsbürger wie auch Zoran Mustur (Jahrgang 1953), Trainer bei Brescia, dem Geheimtip für die kommende Saison. Mit Rudic hatte Mustur 1980 in Moskau als Spieler olympisches Silber geholt. Auch Deutschland griff bereits mehrfach auf Kroaten zurück. Von 1966 bis 1968 arbeitete Bosko Vuksanovic als deutscher Bundestrainer. Er gehörte zur jugoslawischen Silbermedaillen-Mannschaft von Helsinki (1952). Leider konnte er Deutschland nicht annähernd in solche Regionen führen. In der letzten Saison engagierte Rote Erde Hamm Ivo Trumbic. Er brachte neuen Schwung in den deutschen Wasserball-Traditionsclub. Trumbic war 1968 als Goldmedaillengewinner mit Jugoslawien als bester Spieler des Turniers gefeiert worden und hörte auf dem Höhepunkt seiner Karriere auf zu spielen. Als Coach der holländischen Nationalmannschaft schuf er bei den Olympischen Spielen von Montreal (1976) mit dem Gewinn der Bronzemedaille eine Sensation. Ein zweiter junger Kroate, Davorin Golubic, betreute den SSV Esslingen in der vergangenen Saison und verhinderte den Abstieg des gefährdeten deutschen Wasserball-Traditionsvereins. Sein Wirken blieb jedoch nur eine kurze Episode, weil seine Trainingsmethoden nicht den herkömmlichen Vorstellungen der Schwaben entsprachen.   Aus Kroatien selbst müssen noch zwei Namen genannt werden. Zum einen Neven Kovacevic, Trainer der Nationalmannschaft. Nach seinem Riesenerfolg bei der Junioren-WM in Havanna 1997 als Weltmeister wurde ihm sogleich die Verantwortung der Männer übertragen. Hier wie überall aber zählen nur die Erfolge, seine Bewährungsprobe wird Sydney sein. Trainer der Saison wurde Veselin Djuho mit Jug Dubrovnik. Er, der Doppelolympiasieger von Los Angeles und Seoul, feierte mit Jug die erste kroatische Meisterschaft seit der staatlichen Selbständigkeit und holte auch die LEN-Trophy nach Dubrovnik. Bei so vielen ausgezeichneten Erfolgen können Nachbarländer nur neidisch auf Kroatiens Trainerschmiede schauen. Vielleicht profitiert Deutschland vom Angebot auf dem internationalen Markt. Die Balen-Story müsste Mut machen.  

copyright by Dr. G.Schwill (29.07.2000)


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