WASSERBALL/
Mit Hildesheim fast abgestiegen, mit Waspo Hannover dicht
dran an der Meisterschaft: Arne Hartmann hat noch Träume Hannoversche Allgemeine
Zeitung 15. Juli 2000
Mit neun Toren
die Messlatte selbst hoch gelegt
Hannover (kuj). Zum
verabredeten Gesprächstermin überzieht er selbst die für
einen Studenten übliche akademische Viertelstunde kräftig.
,,Pardon, ich kenne mich in Hannover noch nicht gut aus",
entschuldigt er sich. Dass dies keine Ausrede ist, kann
man dem Waspo-Rückraumschützen Arne Hartmann getrost
glauben. Schließlich ist er ähnlich wie sein großer
Vorgänger Dirk Schütze, der 1993 mit den Lindenern
deutscher Meister wurde, in seiner Heimatstadt ,Hildesheim
verwurzelt.
Zur Familie Schütze, die im Wasserballklub Hellas über
Jahrzehnte eine. Dynastie war, gibt es aber gewaltige
Unterschiede. Zwar begann Hartmanns Wasserball-Karriere
in diesem Verein ebenfalls vergleichsweise früh mit neun
Jahren, doch Vereinspolitik vor und hinter den Kulissen
zu veranstalten, ,,war niemals meine Art", sagt er.
Der heute 24-Jährige gilt als der veranlagteste Spieler
der jüngeren Hellas-Vergangenheit, er nahm an den
Junioren-Weltmeisterschaften 1993 und 1995 teil und war
mit 19 Jahren gestandener Bundesligaakteur.
Schon vor zwei Jahren hatte Hartmann vor, zu Waspo zu
wechseln. ,,Damals gab ich dem Drängen der Vereinsführung
aber noch einmal nach und blieb", beschreibt er rückblickend
die schwierigste Phase seiner noch jungen Laufbahn.
Triftige Gründe zu gehen, hätte er seinerzeit genug
gehabt. Da wurden in drei Spielzeiten vier Trainer
verbraucht, die einst familiär-bodenständige
Hildesheimer Struktur wurde gründlich erschüttert. ,,Ständig
kamen neue Spieler, so dass wir auf einmal einen 16-Mann-Kader
hatten", erinnert sich Hartmann. Das habe dazu geführt,
"dass vor lauter egozentrischen Häuptlingen keine
Mannschaft megr im Wasserar war". Als dann Ende
vergangener Saison Hartmann und der aus Hannover
stammende René Huke vom Hellas-Vorsitzenden Markus
Weiterer bezichtigt wurden, gezielt Unruhe in der
Mannschaft zu verbreiten, war der Wechsel beschlossene
Sache. "Ich musste an meine sportliche Zukunft
denken", erklärt Hartmann.
Diese steht nun vor ihrem vorläufigen Höhepunkt. Mit
neun Toren schoss er Waspo am vergangenen Wochenende fast
im Alleingang ins heutige erste Play-off-Endspiel (17 Uhr,
Volksbad Limmer) gegen Serienmeister Spandau 04 Berlin.
Seine Leistungsexplosion führt Hartmann auf ein
eingespieltes System zurück, das ihm als schnellem
Konterspieler liege. ,,Er hat einige Zeit gebraucht' um
unsere Taktik zu begreifen, aber durch ihn sind wir jetzt
nicht mehr ausrechenbar!' , lobt ihn Trainer Bernd
Seidensticker.
Tatsächlich dürfte es selbst für die routinierten
Berliner nicht mehr reichen, sich nur auf die
Nationalspieler Marc Politze und Sven Reinhardt zu
konzentrieren. ,,Wenn die beiden manndeckt werden, bin
ich automatisch frei", rechnet der Student der
Betriebswirtschaftslehre vor. Und sollte seine Form
anhalten, könnte er beim geplanten Neuaufbau der
darniederliegenden Nationalmannschaft mit Politze und
Reinhardt bald ein Angriffsdreieck bilden. Aktuell ist
ihm indes die mögliche erste Meisterschaft wichtiger.
Dazu gestattet er sich sogar einen Tagtraum. Zusammen mit
seinem marokkanischen Freund Karim Maataoui aus dem
Hildesheimer Stadtteil Ochtersum - dem ehemaligen Sänger
der Boygroup ,,Touche", für dessen Solokarriere
Hartmann Managementaufgaben erledigt - will er einen
sportlichen Auftritt vorbereiten. ,,Karim spricht perfekt
französisch, da wäre es als deutscher Vertreter in der
Champions League doch schön, wir führen gemeinsam im
Viertelfinale nach Marseille oder Nizza", schwärmt
er. Vielleicht ist Hartmann am Sonnabend gegen 18 Uhr in
dieser Hinsicht schon etwas weiter.
(Hannoversche
Allgemeine Zeitung vom 15.07.2000)
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