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Cannstatt hat viel zu tun - und keiner packt an

Den Bundesliga-Wasserballern gehen die Führungskräfte aus, an Aufgaben fehlt es dem Schwimmverein dagegen nicht

Von KATRIN GROS

STUTTGART. "Sechs Jahre sind genug'', sagt Frank Otto - und will nicht mehr für den Vorsitz des SV Cannstatt kandidieren. Das ist aber nur eines der Probleme, mit denen sich die Bundesliga-Wasserballer derzeit herumschlagen. Und Besserung ist nicht in Sicht.

Von Katrin Gros

Die Wasserballer stecken noch mitten in den Vorbereitungen für die nahende Bundesligasaison, aber hinter den Kulissen herrscht bereits eifrige Betriebsamkeit. Denn der SV Cannstatt hat zurzeit vor allem mit solchen Problemen zu kämpfen, die außerhalb des Schwimmbeckens gelöst sein wollen: zum Beispiel mit der Aufarbeitung des wenig eleganten Trainerwechsels, mit der Amtsmüdigkeit bei führenden Funktionären und mit offensichtlichen Organisationsproblemen im Verein. Dann gibt es da noch das baufällige Hallenbad. Aber der Reihe nach.

Da ist die Sache mit dem Trainer. Frank Otto, der Wasserball-Präsident, hatte im Sommer eigenmächtig Henry Thiedke vom Bundesligisten Neukölln verpflichtet. Der Amtsinhaber Gabor Bujka, der währenddessen in seiner Heimat Ungarn Urlaub machte, erfuhr nur zufällig von seiner Absetzung: Der VfB-Spieler Kristijan Lisztes, Landsmann Bujkas, las ihm am Telefon die entsprechenden Zeitungsmeldungen vor. Kein guter Stil, fanden viele im Verein, zudem musste sich Präsident Otto Vorwürfe wegen seines "Alleingangs'' anhören. Vor zwei Wochen lehnte Gabor Bujka nun den Ersatzjob als Jugendtrainer in Cannstatt ab - und unterschrieb als Trainer beim Ligakonkurrenten Rote Erde Hamm. Damit hat er den Cannstattern sogar noch einen Gefallen getan - denn Gabor Bujka, der Cannstatt fünf Jahre lang trainiert und auch als Hausmeister für den Verein gearbeitet hatte, besaß noch einen gültigen Vertrag.

Da ist die Sache mit dem Präsidenten. Schon öfter musste sich Frank Otto Vorwürfe gefallen lassen, er habe wichtige Entscheidungen alleine gefällt. Wichtige Probleme blieben dagegen ungelöst. Doch der ehemalige Nationalspieler gilt in Wasserballerkreisen was - und ist deshalb ein gutes Aushängeschild für den SV Cannstatt. Doch jetzt will Frank Otto nicht mehr. Bei der Jahreshauptversammlung, so kündigte der 42-Jährige an, werde er nicht mehr kandidieren: "Sechs Jahre sind genug'', sagt Otto. Das sagt er zwar vor beinahe jeder Wahl, allerdings sei es ihm dieses Mal ernst, befürchten die Cannstatter. Das bringt den Verein in ernsthafte Probleme, denn ein Nachfolger ist weit und breit nicht in Sicht. Volker Wörn, der ehemalige Nationaltorwart, lehnte eine Kandidatur dankend ab. Begründung: "Ich muss erst noch einige Erfahrungen sammeln.'' Deshalb wird inzwischen Dieter Junger, der Leiter der Schwimmabteilung, als Anwärter auf Frank Ottos Nachfolge gehandelt. Junger allerdings hatte bisher wenig mit den Wasserballern und ihren Problemen zu tun.

Da ist die Sache mit dem Wasserballwart. Ob Jerg Reuschlen sich wieder für den Posten aufstellen lassen wird, ist fraglich. "Ich habe nicht mehr so recht die Zeit und Lust'', sagt der 39-Jährige. Und aus seinen Worten ist herauszuhören, dass er nicht damit zufrieden ist, wie es derzeit in dem Verein zugeht. Würde Reuschlen seinen Posten tatsächlich niederlegen, ist auch hier ungewiss, wer künftig diese Aufgabe übernehmen wird.

Da ist die Sache mit der Organisation. Die ganze deutsche Wasserballszene erinnert sich noch immer schenkelklopfend, wie die Cannstatter vergangene Saison hunderte von Kilometern zum Bundesligaspiel nach Hildesheim fuhren - und verloren, ohne ins Wasser zu gehen: Die Partie war in Absprache mit dem SV Cannstatt um drei Stunden vorverlegt worden - doch die Schwaben reisten wegen eines Abstimmungsproblems zur ursprünglichen Uhrzeit an, und damit drei Stunden zu spät. Ein Fauxpas, wie er exemplarisch für die Zustände in dem Schwimmverein ist. Zuletzt musste die Hauptversammlung von Anfang Oktober auf den 12. November verschoben werden, weil die Bilanzen noch nicht fertiggestellt waren.

Da ist die Sache mit dem Hallenbad. Die Trainingsstätte der Cannstatter hat ihre guten Zeiten schon längst hinter sich - und müsste dringend renoviert werden. Doch dazu ist eine Menge Geld und gewaltiger organisatorischer Aufwand nötig. Beides macht die Erneuerung des Schwimmbads zu einem Kraftakt - der zunächst an dem Präsidenten hängen bleiben würde. Entsprechend unattraktiv ist die vakante Position. Es wird also spannend bei der Jahreshauptversammlung Mitte November - denn es ist abzusehen, dass die Probleme und die Verantwortlichen angesprochen werden.

Immerhin eine erfreuliche Nachricht gibt es: Henry Thiedke, der neue Trainer, "löst einen Boom unter den Bundesligaspielern aus'', sagt der SVC-Kapitän Jürgen Rüdt. "Thiedke kümmert sich um alles, das gibt dem Team den nötigen Schwung.'' Die sportliche Perspektive, so scheint es, stimmt beim SV Cannstatt derzeit. Aber die Probleme außerhalb des Schwimmbeckens bleiben.

(Stuttgarter Zeitung, 14.10.1999)


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