Champions League 2000/2001, Qualifikation in Madrid

Spandau wieder in der Königsklasse
In Madrid wurde der spanische Meister Real Canoe entzaubert

VON DR. GÜNTER SCHWILL

Welcher Jubel nach der Schlußsirene! Die Wasserfreunde Spandau 04 schalteten im Schlüsselspiel zur Champions League den spanischen Meister Real Canoe unerwartet deutlich mit 9:4 (2:0,3:0,2:2,2:2) aus und zogen damit auch in dieser Spielzeit wieder in die "Königsklasse" ein, in den Kreis der acht besten europäischen Vereinsmannschaften. Diesen Einzug hatten die Spanier für sich als selbstverständlich angesehen. Sie waren mit der Auslosung zufrieden gewesen, die ihnen Heimrecht und die Gegner VK Becej/Jugoslawien, WF Spandau 04 und den belgischen Meister Dauphins Mouscronnois beschert hatte. Platz 2 mindestens schien ihnen in dieser Gruppe sicher.

Die Spandauer ihrerseits hatten respektvoll zuvor alle Informationen nebst Videomaterial über diesen hochkarätigen Gegner aus Madrid studiert und analysiert, in dessen Reihen immerhin vier Olympiasieger von Atlanta und ebenso viele Halbfinalisten von Sydney standen. Was Olympia betraf, sass der Stachel immer noch tief bei den Spandauern. Hannover war bisher nur bedingt verarbeitet, aber hier in Madrid bot sich die Chance einer sportlichen Rehabilitation. Trainer Peter Röhle hatte seit Wochen Siegeszuversicht verbreitet, so stellte sich die Mannschaft körperlich und mental topfit zum Kampf.

Mit der Spandauer Idealbesetzung begann die Partie im Madrider Vorort Estrella, der Wettkampfstätte der 86er Weltmeisterschaft. Es spielten Alexander Tchigir im Tor, Slavomir Andruszkiewicz und Alexander Elke, Jens Pohlmann, Kapitän Patrick Weissinger, Lasse Noerbaek und Center Thomas Schertwitis. Und auch die Wechselspieler waren sprungbereit für ihren Einsatz, der in diesem schweren Spiel ganz wichtig wurde. Es waren Andreas Schlotterbeck als Center, "Senkrechtstarter" Axel Kirsch, René Grotzky, Holger Jochem, Dennis Wieder sowie Igor Uchal als Torwart.

Die schnellen Spanier, die trotz des Sprinters Patrick Weissinger alle Anschwimmen gewannen, wurden aufmerksam markiert. Die Besonderheiten ihrer Spitzenspieler Sanchez-Toril als Center, des Flügelflitzers Hernandez sowie der Brüder Moro, Ivan als Spielmacher , Daniel als Linkshänder, waren durch die Video-Analysen bekannt und konnten auf ein Minimum begrenzt werden. Trainer Peter Röhle hatte die Devise ausgegeben, den reaktionsschnellen Torwart Gonzalez nur mit flachen Bällen zu beschiessen, ein Rezept, das 100%ig aufging. Bis zur 5.Spielminute jedoch schossen fast nur die Spanier und es hätte nicht gut für Spandau ausgesehen, wenn nicht Alexander Tchigir einen seiner besten Tage seiner gesamten Karriere erwischt hätte. Er war an diesem Tag "unschlagbar" und was er nicht parierte, ging an Latte oder Pfosten. Gegen einen solchen Zerberus im Tor wird jeder Schütze unsicher. Das war der Zeitpunkt der deutschen Angriffe. Thomas Schertwitis eröffnete den Torreigen und 10 Sekunden vor der Viertelpause erhöhte der Altmeister der Torjäger, Senior Andruszkiewicz, zum wichtigen 2:0.
Dasselbe Bild im zweiten Durchgang. Die Spanier drängten, die Spandauer schossen die Tore. Alexander Elke, vor vier Jahren selbst bei Real Canoe unter Vertrag und von seinen alten Freunden in Madrid sehr herzlich begrüsst, erhöhte mit einem langen Schuss auf ein zuvor kaum denkbares 3:0. Doch es sollte noch besser kommen. Lasse Noerbaek schoss das 4:0 und Kapitän Patrick Weissinger erhöhte den Spielstand auf ein sensationelles 5:0, nach weniger als 10 Minuten Spielzeit.

Trotz dieser klaren Führung blieb eine Hochspannung in der Partie, als stände das Ergebnis unentschieden. Weiterhin zahlreich und gefährlich die schnellen Vorstösse der Spanier. Peter Röhle brachte seine junge Garde, es war ein Muß, um den anderen Atempausen zu gönnen. Hierauf hätte Patrick Weissinger gern verzichtet, doch ab der 16.Minute wurde er von den gut amtierenden Unparteiischen Kratochvil (Slowakei) und Csaszar (Ungarn) zum Zuschauen verdammt. Kurz zuvor war ein tausendfacher Begeisterungsschrei erklungen, als Gaby Hernandez per Strafwurf das 1:5 markierte. Doch Andruszkiewicz konterte mit einem Rückhandwurf, der wie in Zeitlupe über die Linie zitterte. Beim 2:6 von Salazar entlud sich wieder ein gewaltiges Stimmpotential, sollten doch noch die Verteidigungsdämme brechen? Wieder behielt einer der Spandauer Senioren die Nerven, Lasse Noerbaek konterte 9 Sekunden vor Ende des 3. Viertels zum 7:2. Der Fünftore-Vorsprung sollte eigentlich reichen.

Die Madrilenen jedoch gaben sich noch lange nicht geschlagen. Nur 14 Sekunden nach Wiederanpfiff setzte Linkshänder Daniel Moro einen Volltreffer in die lange Ecke, 3:7. Kurz danach wieder spanische Überzahl, die achte von insgesamt 10 Spandauer Hinausstellungen, während Real Canoe nur dreimal betroffen war. Doch auch diesmal stand die Verteidigung um ihren Torwart Tchigir felsenfest. Als nun Alexander Elke seinen alten Kameraden mit seinem Tor zum 8:3 den endgültigen k.o. versetzte und Thomas Schertwitis knapp zwei Minuten vor dem Ende bei Überzahl mit dem 9:3 sogar einen Sechstore-Vorsprung schaffte, war der Jubel der kleinen Spandauer Fangruppe nicht mehr zu bremsen. Da konnte es sich Elke erlauben, einen zweiten 4-Meter zu verursachen. 9 Sekunden vor Schluß setzte Hernandez per Strafwurf dadurch den 9:4 Endstand fest.

Spandau hatte die Auftaktniederlage gegen Becej (5:11) unbeschadet verwunden, während Real Canoe sich nach dem 16:3 gegen Dauphins Mouscronnois aus Belgien zu überlegen wähnte. Da Spandau im Sonntagsspiel gegen die Belgier keine Gefahr mehr drohte (das Spiel endete 14:5), gab die Führung spontan "grünes Licht" für einen feucht-fröhlichen Umtrunk in der Mradrider Altstadt. "Der Erfolg muss heiss geschmiedet werden", hieß die Parole. Hagen Stamm nutzte die Gelegenheit, in einer kleinen Ansprache in seiner Doppelfunktion als Vereinspräsident und Bundestrainer die Wichtigkeit dieses Erfolges für den gesamten deutschen Wasserballsport herauszustreichen. Thomas Schertwitis schilderte seine und die Gefühle seiner Nationalmannschaftskameraden: "Jetzt erst ist die verpasste Olympiaqualifikation vergessen!" Und Peter Röhle freute sich, daß diesmal Becej kein Gruppengegner in der Champions League werde. "Wie auch die Auslosung wird, wir brauchen niemand zu fürchten!" Das hörte der harte Kern um Ehrenpräsident Kusch, Dr. Schwill und Prof.Groher besonders gern und besprach bereits neue Reisepläne. Manager Volker Strobel (er führte einen harten Kampf um den Preis für das Videogerät und verteilte leuchtend rote Mützen) und Pressemann Sven-Uwe Dettmann (lernt spanisch und kämpft stets mit den Viertelergebnissen) gehören zu den Spandauer "Machern", ohne die ein Verein nicht diese Erfolge aufweisen könnte.

Die Vorrundenergebnisse von Madrid:
WF Spandau 04 - VK Becej 5:11 (0:1,1:3,3:4,1:3)
Real Canoe - Dauphins Mouscronnois 16:3 (4:1,3:0,3:1,6:1)
VK Becej - Dauphins Mouscronnois 22:6 (6:2,5:1,5:3,6:0)
WF Spandau 04 - Real Canoe 9:4 (2:0,3:0,2:2,2:2)
VK Becej - Real Canoe 8:5 (4:0,2:2,2:2,0:1)
WF Spandau 04 - Dauphins Mouscronnois 14:5 (2:2,3:1,6:1,3:1)

Die Tabelle:

1. VK Becej 3 41:16 6:0
2. WF Spandau 3 28:20 4:2
3. Real Canoe 3 25:20 2:4
4. Dauphins Mouscronnois 3 14:52 0:6

Die Spandauer Torschützen:
Lasse Noerbaek (7), Alexander Elke (6), Thomas Schertwitis (5), Patrick Weissinger (4), Slavomir Andruszkiewicz (2), René Grotzky (2), Holger Jochem (1), Jens Pohlmann (1).
Torjäger des Turniers: Alexander Sapic, Becej (9).

Für die Champions League qualifiziert: (8 Landesmeister)
VK Becej und WF Spandau 04 (11:5),
Olympiakos Piräus und Dinamo Moskau (9:7)
Posillipo Neapel und Ferencvaros Budapest (9:6)
Jug Dubrovnik und Olympic Nizza (12:8).

Die Auslosung der beiden Vierergruppen erfolgt am 8.Dezember in Zagreb.
copyright by Dr. Günter Schwill, 27.November 2000

Mehr Informationen erhalten Sie unter :
www.spandau04.de


Startseite News