Auch
ein Trainer muss mal baden gehen VON HELEN RUWALD
Berlin.
Der Trainer gehört zu seinen Spielern. Das dachten sich
auch die Ersatzmänner der Wasserfreunde Spandau 04 und
gaben ihrem Trainer Peter Röhle einen kräftigen Schubs.
In T-Shirt und Shorts stürzte er ins Becken des Olympia-Schwimmstadions
und schnappte sich André König. Röhle nahm den Kopf
mit der weißen Bademütze zwischen seine Hände und schüttelte
ihn ein bisschen. Und lachte. König hatte im zweiten
Finalspiel um die Deutsche Wasserball-Meisterschaft gegen
Waspo Hannover kurz vor Spielschluss das 6:4 geworfen und
das Zittern der Gastgeber beendet. Spandau ist zum 21.
Mal seit 1979 Deutscher Meister geworden, zum 18. Mal
gelang den Berlinern das Double, Meisterschaft und
Pokalsieg. Im ersten Endspiel der Serie ,,Best of three"
hatte sich Spandau in Hannover vor einer Woche 6:5
durchgesetzt.
Im Becken wurde geknuddelt, noch im Wasser wanderten die
ersten Sektflaschen von Hand zu Hand, der 20-jährige René
Grotzki spreizte die Finger zum Victory-Zeichen. Die
Spieler mussten bis zum Abpfiff ausharren, ehe sie jubeln
durften - die Fans hatten ein paar Sekunden Vorsprung.
Unmittelbar nach Königs Tor zum 6:4(2:0,0:1, 2:1, 2:2)-Endstand
sangen sie fröhlich ,,Auf Wiedersehen" und ,,Deutscher
Meister Spandau". Für König war der Treffer ein
perfekter Ausstand: Der 32-Jährige beendet seine
Karriere in der ersten Mannschaft ich habe mich riesig
gefreut, dass ich heute so lange gespielt habe. Genug
Luft hatte und das mit einem Tor gekrönt habe",
jubelte König. ,,Wild rumtelefonieren" wollte er
erst einmal und allen Freunden und Fans mitteilen, dass
er tatsächlich zum zwölften Mal Deutscher Meister
geworden war. Nachdem er verabschiedet und sein Kollege
lasse Norbaek als ,,Wasserballer des Jahres" geehrt
worden war, rollerte König mit einem Tretroller vom
Becken zur Umkleidekabine - und stieg später in einen
oben offenen doppelstöckigen Bus um. Normalerweise
fahren damit Touristen zum Schloss Bellevue, gestern ließen
sich die Spandauer bis zum Hackeschen Markt kutschieren.
"Dort werden wir die eine oder andere Brause trinken",
kündigte König an.
Außer ihm trafen gegen Hannover Patrick Weissinger,
zweimal Thomas Schertwitis, Slawomir Andruskiewicz und
Timo Purschke. Purschke hatte die Riesenchance, beim
Stand von 4:2 den Vorsprung der Berliner auszubauen,
scheiterte aber direkt vor dem Tor. Als Waspo im Gegenzug
der Anschlusstreffer gelang, mussten die Spandauer noch
einmal zittern, retteten den Vorsprung aber über die
Zeit.
Selbst Hannovers Trainer Bernd Seidensticker, der am
Beckenrand in bekannter Manier gestikulierte und
schimpfte, stellte fest: ,,Spandau war die beste
Mannschaft, aber der Abstand wird kleiner." Versöhnliche
Worte von seiner Seite, nachdem sich die Trainer
wochenlang heftig beharkt hatten und im Pokalfinale auf
beiden Seiten Nasenbeine gebrochen waren. Peter Röhle
war in der Begeisterung über ,,die Traumsaison" mit
seinem verjüngten Team nicht ganz so zahm wie sein
Kollege: ,,Ich habe meiner Mannschaft gesagt, lasst
Hannover spielen, das können sie nicht Waspo ist für
ein ganzes Spiel zu harmlos. Wir dagegen haben den Kopf
behalten." Dabei sah es vor wenigen Wochen gar nicht
so gut aus, als die Spandauer mehrere Partien verloren.
,,Die anderen hatten uns abgeschrieben", erinnert
sich Kapitän Weissinger, ,,aber wir haben uns
zusammengerauft Jetzt ist unser Ziel, in der Champions
League im nächsten Jahr unter die besten vier Teams zu
kommen."
(Berliner
Tagesspiegel 23.07.2000)
Alles Wirt gut
Die Wasserfreunde Spandau holen den 21. Meistertitel und
erweisen sich als starke Selbsthilfegruppe
Von Torsten Wendlandt
Charlottenburg - Ausgerechnet nach dem großen Wasserwerk
saßen die Wasserfreunde auf dem Trocknen. Nachdem die
Wasserball-Serienhelden aus Spandau im Becken des Olympia-Schwimmstadions
den Erzrivalen Waspo Hannover mit 6:4 niedergekämpft und
sich mit zwei Finalsiegen zum 21. Mal die Meisterkrone
aufgesetzt hatten, bäumten sich vor den Recken zwei neue,
bislang unbekannte und ungeahnte Gegner auf - Durst und
Hunger.
Vor allem der Durst war schlimmer als der Muskelkater
nach der Wasserschlacht. Am Kneipen-Tresen am Hackeschen
Markt versammelte sich eine nervöse Warteschlange aus
Spielern, Fans, Sponsoren und anderen Wasserfreunden.
Alles war an diesem Tag glänzend gelaufen, nur das Bier
nicht. «Auch das müssen wir eben noch selber machen»,
stöhnte Präsident Hagen Stamm ob des Personalmangels
des Wirts im Kellergewölbe und zapfte mit einem
Augenzwinkern Trainer Peter Röhle an. Der einstige
Torwart-Krake und Fels in der Brandung schwang seine 120
Kilo kurzerhand Richtung Bierhahn und bekam, assistiert
von Tochter Luisa und Edel-Fan Sonja Hamann, das Problem
schnell in den Griff, während Stamm Dutzende Grillhaxen
aus der Küche Richtung Stammtisch beorderte. «Alles
wird gut», wusste Röhle dann kurz vor Mitternacht
freudetrunken und Stamm fügte vielsagend an: «Alles
wird noch besser.»
Für die Wasserfreunde aus Spandau, einer sportlichen
Selbsthilfegruppe von Format, ist das neuerliche
Meisterwerk nicht irgendeiner ihrer insgesamt 54
nationalen und internationalen Titel und schon gar kein
Fließbandprodukt. «Ein Traum ist wahr geworden. Dass
wir mit diesem jungen Team die beste Saison seit langem
gespielt haben, ist einfach unglaublich», strahlte
Polizist Röhle angesichts des 21. Championats, des 18.
Pokalgewinns und des Einzugs in die Runde der besten Acht
der Champions League.
Röhle und Stamm, schon zu Spandaus internationalen
Glanzzeiten in den 80er-Jahren bei vier Europacupsiegen
ein kongeniales Team, haben vor allem Mut zum Risiko
bewiesen. Gleichwohl den Machern des Erfolgs aus
Geldmangel kaum etwas anderes übrig bleibt, als den
Berliner Nachwuchs ins kalte Wasser zu werfen, auf teure
ausländische Stars zu verzichten und die Kraft aus sich
selbst zu schöpfen.
Doch genau das beginnt sich auszuzahlen. Der 19-jährige
Timo Purschke, den Röhle gegen die Niedersachsen von
Beginn an aufbot, lieferte auf der wichtigen
Centerposition eine erstklassige Leistung ab. Das Früchtchen
fällt offenbar nicht weit vom Stamm, denn in Sachen
Technik und Durchsetzungsvermögen erinnert der 1,90-m-Bursche
an Spandaus Center-Legende. Mit dem gleichaltrigen Axel
Kirsch steht nach Deniz Pasaoglu und Andreas
Schlotterbeck nun der dritte Nachwuchsspieler vom
kooperationsbereiten SC Wedding per Zweitstartrecht in
Spandauer Badelatschen.
«Ich denke, dass wir auf diesem Weg in ein, zwei Jahren
wieder in der Spitze Europas spielen können. Also unter
den besten vier Teams», blickte Hagen Stamm, der für
die nächste Saison nach dem Rücktritt von Andre König
einen deutschen Centerverteidiger an der Angel hat,
voraus. Und Röhle, der nach Mitternacht den Nebenjob am
Tresen jüngeren Wasserfreunden überlassen hatte,
pflichtete Stamm bei: «Wasserfreunde ist nicht bloß ein
Wort. Die Jungen fühlen sich wohl in unserer Familie.
Wer weiß, ob mehr Geld nicht einiges kaputt machen würde.»
Die Selbstbewirtung in der Siegernacht war schließlich
überaus erfolgreich. «Habt ihr keinen Durst mehr?»,
fragte einer am Stammtisch am frühen Morgen.
(Berliner
Morgenpost 24.07.2000)
21 Titel in 22
Jahren
BERLIN/WÜRZBURG (SID/ACH). Die Überschrift über das
Titel-Stück könnte entliehen sein aus dem alten
Silvester-Schinken Dinner for one um Miss Sophie und
ihren trinkfesten Butler. Jahr auf Jahr wiederholt sich
im deutschen Wasserball die Krönung der Berliner. Seit
1979 holte Spandau 04 sage und schreibe 21 Meistertitel.
lediglich 1993 wurde die beispiellose Siegesserie von
Waspo Hannover unterbrochen - dem diesjährigen
Finalgegner.
Alles beim Alten also auch im neuen Jahrtausend, und während
sich die Berliner mit den schon obligatorischen
Sektduschen feierten, zogen die Macher des Erfolgs
bereits ein erstes Resümee. "Das ist ein Traum. Wir
haben mit dem jungen Team alle Ziele erreicht",
sagte ein gerührter Trainer Peter Röhle. Nach dem
entscheidenden 6:4-Sieg im zweiten Finalspiel über Waspo
Hannover im maroden Olympiabad streben die Spandauer nun
mit der Jugend zurück zu alter Stärke und wieder an die
Spitze Europas.
"Peter Röhle hat alles richtig gemacht. Er hat alle
Talente integriert und mit dem Double und dem Einzug
unter die letzten Acht der Champions League auch noch
Erfolg gehabt", meinte Präsident Hagen Stamm. Die
überschwänglichen Reaktionen nach dem zweiten Play-off-Sieg
vor 1283 Zuschauern waren ein Gratmesser, wie wichtig den
Wasserfreunden gerade dieser Titel war. "Die Verjüngung
war schon ein hohes Risiko, umso schöner, dass es trotz
vieler Verletzungen von Stammspielern geklappt hat",
erklärte Stamm.
Freude über seinen zweiten Titel herrschte auch beim Ex-Würzburger
Torwart Alexander Chigir, dessen Vertrag in Berlin ausläuft.
Wie zu hören ist, will Spandau den Kontrakt verlängern,
Chigir behält sich noch einige Optionen offen. Eine
davon ist die Rückkehr zum SV 05. Derzeit laufen
Verhandlungen mit dem Deutschen Schwimm-Verband, unter
dessen Ägide er eine Funktion als Koordinator für den süddeutschen
Raum einnehmen könnte. Sollten sich die Parteien einigen,
wäre der Nationalkeeper wohl bereit, wieder für den SV
05 ins Wasser zu steigen - auch in der Zweiten Liga.
Kritik am System
"Mit diesem Sieg können wir die Früchte unserer
Arbeit ernten", sagte Hagen Stamm. Durch das
unerwartet gute Abschneiden in der Champions League ist
der deutsche Meister für die nächste Spielzeit
automatisch für die letzten 16 gesetzt. "Mittelfristig
wollen wir dann endlich einmal wieder ins Final Four",
meinte Röhle.
Stamm und Röhle, in den 80-er Jahren gemeinsam viermal
Europapokalsieger der Landesmeister, haben sich dem
ehrgeizigen Ziel verschrieben, Spandau wieder zur europäischen
Spitze zurückzuführen. In einer Kooperation mit dem
Zweitligisten SC Wedding Berlin führen sie erfolgreich
immer mehr Spieler an die Bundesliga und den
Meisterwettbewerb heran.
Die Überlegenheit musste auch Hannovers Coach Bernd
Seidensticker eingestehen: "Es war ein verdienter
Sieg und eine verdiente Meisterschaft." Wie schon im
ersten Finalspiel mit 5:6 und im Pokalendspiel zog Waspo
knapp den Kürzeren. Damals war Hannover erst in der Verlängerung
gescheitert und muss sich nun mit der Teilnahme am
Europacup-Wettbewerb der Pokalsieger trösten.
Das System Spandau freilich stößt nicht überall im
Land auf kritiklose Bewunderer. In den 80-er Jahren wurde
der Klub aufgrund seiner exponierten Lage mit Fördermitteln
aufgepeppt, auch heute genießt Spandau durch das
Olympiazentrum Möglichkeiten, von denen andere Klubs nur
träumen. "Sportlich ist der Erfolg verdient, keine
Frage", sagt etwa Peter Lurz, Präsident des
Bundesliga-Absteigers SV Würzburg 05. "Aber, das
muss man so feststellen, Spandau gewinnt immer, weil es
die besten Spieler holt." Die Verantwortlichen des
deutschen Wasserball-Sports müssten sich mit dem Titel-Abo
der Berliner kritisch auseinander setzen. "Auf Dauer
sehe ich keinen Sinn", so Lurz. Als Beweis für das
sinkende Niveau hierzulande führt er das Abschneiden der
Nationalmannschaft an, die in Hannover kläglich an der
Olympia-Qualifikation scheiterte.
(Mainpost
24.07.200)
Die neue Lust am Wasserball entdeckt
Spandau 04 ist auch nach dem 21. Meistertitel
noch hungrig
Klaus Weise
BERLIN, 23. Juli. Die Feier nach erneutem Titelgewinn der
Wasserfreunde Spandau 04 fand im "Aschinger"
statt, einem Gastronomie-Geheimtipp am Hackeschen Markt.
Das Lokal verdankt seinen Ruf unter anderem riesigen
Portionen und die waren nach getaner Arbeit für die
Wasserball-Seriensieger auch angebracht. 6:4 (2:0, 0:1, 2:1,
2:2) hatten die Schützlinge von Trainer Peter Röhle die
zweite Partie des Play-off-Finales ("Best of three")
gegen Waspo Hannover gewonnen und damit nach dem 6:5-Auswärtssieg
bei den Niedersachsen eine Woche zuvor Meisterschaft
Nummer 21 seit 1979 vorzeitig in die Hauptstadt geholt.
Vollendetes Karriere-Happyend
Ein ebenso erwarteter wie verdienter Erfolg gegen den
Endspiel-Kontrahenten der vergangenen drei Jahre, der
zudem 1993 den einzigen Fleck auf Spandaus ansonsten weißer
Meister-Weste seit dem Jahre 1979 besorgt hatte.
Erinnerungen an das "schwarze Jahr" hatten auf
Spandauer ur Slawomir Andruskiewicz, Lasse Norbaek und
Andre König. Letzterer gab am Sonnabend im
Olympiaschwimmstadion nach 25 Jahren Vereinstreue seine
Abschiedsvorstellung mit der Wasserfreunde-Badekappe. Der
32-jährige Abwehrspezialist hatte mit dem Treffer zum 6:4
ein vollendetes Karriere-Happyend, nachdem er schon jüngst
das Pokalfinale - natürlich ebenfalls gegen Hannover -
mit zwei Toren für die Spandauer entschieden hatte.
Noch kein Berliner war 1993 der Schwabe Patrick
Weissinger. Der 27-Jährige spielt seit sechs Jahren für
die Wasserfreunde, ist an der Spree zum Auswahlakteur,
zur Führungspersönlichkeit und zum Kapitän des Teams
gereift. Trotz der riesigen Eisbein-, Filet- oder
Entenbraten-Portionen im "Aschinger" sprach er
nach der Titelverteidigung vom "Hunger" in
seiner Mannschaft. "Nachdem vor einigen Jahren eine
gewisse Sättigung und Genügsamkeit in der Truppe
festzustellen war, ist jetzt wieder Motivation und
gesteigerter Ehrgeiz zu spüren", hat Weissinger als
Saison-Resümee festgestellt. Auch an sich selbst hat der
1,94 m lange Student neue Lust am Wasserball festgestellt.
"Das liegt an Peter Röhle, der 1997 von der Torwart-Position
an den Beckenrand gewechselt ist, und an den Jungen im
Team, die sich großartig gemacht haben."
Vor vier Wochen habe noch jeder Spandau nach der
Verletzung von gleich drei Top-Spielern (Torwart Tchigir,
Rekordtorschütze Norbaek und Weissinger) abgeschrieben,
"jetzt haben wir bewiesen, dass wir mit jeder Lage
zurechtkommen und jeder Situation gewachsen sind".
Die Mannschaft sei noch enger zusammengerückt, die
Jungen hätten mehr Verantwortung übernommen. Weissinger:
"Ich wage die Aussage, dass kein anderes Team in der
Bundesliga das so weggesteckt hätte." Die Saison
2000 sieht er deshalb auch als eine besondere an. "Wir
haben alle drei nationalen Titel gewonnen - Meisterschaft,
Pokal, Supercup. Wir haben den Einzug in die Champions
League geschafft, gehörten zu den acht besten
Mannschaften Europas."
Ein hohes Risiko eingegangen
Eine Zwischenstation, wie Weissinger sehr wohl weiß.
"Ich habe ein paar sehr, sehr gute Spiele gemacht,
sozusagen am Final Four geschnuppert. Das muss nun
eindeutig unser Ziel sein." Der Einbau junger
Talente - Jens Pohlmann, längst Nationalspieler, ist für
den Kapitän das Paradebeispiel - soll deshalb
fortgesetzt werden. Zwar sei der Abgang der Routiniers
Klingenberg und Bukowski vor Saison und der Verzicht auf
den teuren Neueinkauf fertiger Stars ein hohes Risiko
gewesen, aber "wer nicht wagt, der nicht gewinnt".
Gewonnen hat Spandau auch diesmal . Wie gehabt. "Aber
es war schon eine besondere Meisterschaft", sagt
Weissinger. "Die Art und Weise, wie Hannover
versucht hat, unseren Erfolg zu verhindern, hat sie dazu
gemacht." Der Kapitän spielt damit auf die überharte
Gangart der Niedersachsen an, die Verletzungen der
Spandauer bewusst in Kauf nahmen. "Das war nicht in
Ordnung. Ich bin stolz darauf, dass wir die Linie nicht
verloren haben." Und auch den neuen Hunger nicht -
denn der ist noch lange nicht gestillt.
(Berliner Zeitung 24.07.2000)
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