12. Mai 1998

"Dieser Absatz ist absolut widersinnig"

Schwimmverband hat trotz massiver Warnungen miserablen Vermarktungsvertrag akzeptiert

VON FRANK BACHNER

BERLIN .

Herbert Peters ist nicht bloß Präsident des Badischen Schwimmverbands, er ist auch Rechtsanwalt. Deshalb hat er schon beim bloßen "Querlesen" die Problempunkte jenes Vertrags erkannt, den er vor kurzem, inoffiziell, in die Hände bekommen hatte. Und das "Querlesen" war überaus ernüchternd: "Der Vertrag könnte wesentlich besser sein. Er ist teilweise lückenhaft und teilweise unvollständig." Der Vermarktungsvertrag, den Rüdiger Tretow, der Präsident des Deutschen Schwimmverbandes, mit der Hamburger Marketing-Agentur SMS abgeschlossen hat und durch den SMS seit 1. Januar 1998 die Werberechte an allen Verbandsveranstaltungen besitzt, ist, in Peters' Diktion, ziemlicher Pfusch.

Das ist höflich ausgedrückt. Viel zu höflich. In Wirklichkeit ist der Kontrakt ein weiterer Geniestreich des skandalumwitternden Verbands. Schon der DSV-Vertrag mit dem SMS-Vorgänger Wirtschaftsdienst (WD) galt als mittlere Lachnummer. Aber der SMS-Kontrakt ist noch schlimmer.

Der WD garantierte dem DSV wenigstens jährlich 450 000 Mark als Gegenleistung für die Exklusiv-Vermarktungsrechte. Das galt schon als zu geringer Betrag. Im neuen Vertrag, der dem Tagsspiegel vorliegt, sind für 1998 unter Punkt III, Absatz 1 gerade mal 250 000 Mark fixiert. Ab 1999 legt SMS jährlich gerade mal noch 100 000 Mark zu. Und dabei bleibt's bis zum Vertragsende im Jahr 2002. Mehr muß SMS nicht zahlen. Aber SMS muß notfalls nicht mal diese Summe zahlen. Wenn die Agentur der Meinung ist, daß Schwimmen im Fernsehen nicht oft genug erscheint, darf sie die Summe um zehn Prozent drücken (Punkt IV, Absatz 5). Gleichzeitig darf der DSV "nur mit Zustimmung der SMS einen neuen Fernsehvertrag abschließen" (Punkt IV, Absatz V). SMS darf auf die Vermarktung von DSV-Veranstaltungen verzichten (Punkt I, Absatz 2), der DSV gibt Persönlichkeitsrechte der Athleten an SMS ab, die er gar nicht besitzt, SMS darf Unterlizenzen vergeben, wobei der DSV lediglich ein Vetorecht besitzt (Punkt III, Absatz 7), SMS erhält generell Sponsorenangebote, die beim DSV eingehen. "Es ist schwer erkennbar", sagt Peters, "was eigentlich SMS leisten muß, während der DSV fast nur Pflichten hat".

Das hat auch Tretow bei der Vertragsunterschrift gewußt. Und der DSV-Chef war vor dieser Unterschrift heftig gewarnt worden. In einer schonungslosen und überaus vertraulichen ("Nicht für Dritte bestimmt") "Detailanalyse" vom 4. 7. 1997 zerriß ein Jurist den Vertragsentwurf förmlich in der Luft. Fünfmal erkannte er Punkte als "rechtlich falsch" oder "rechtlich angreifbar", zweimal erinnerte ihn das Dokument an einen "Knebelvertrag", zweimal warnte er "vor einem Totalverlust des DSV", einen Absatz erklärte er für "völlig nichtig", und in einem Fall mußte sich der Autor entnervt an den Kopf gegriffen haben.

Da hat er den Passus mit den Fernsehverträgen gelesen. "Absolut widersinnig" sei dieser Punkt. Zum einen sei SMS in die Verhandlungen einbezogen, zum anderen darf die Agentur vom eigenen Verhandlungsergebnis abrücken. Der Dumme wäre der DSV. "Im Rechtssinne stellt das eine Handlungsunfähigkeit des DSV dar". Dem drohe im Zweifelsfal "ein Totalverlust".

Und der Verzicht von SMS auf die Vermarktung von DSV-Veranstaltungen "ist rechtlich nicht haltbar". Wenn SMS keine Lust hat, darf der DSV nicht automatisch einspringen und selber Sponsoren suchen. Und "das könnte zu einem Totalverlust des DSV führen". Daß SMS Unterlizenzen vergeben kann, sei schon mal "sachlich falsch". Schließlich habe SMS keine Lizenzen, sondern nur Vermarktungsrechte erworben. Und rechtlich sei dieser Punkt auch"falsch", weil der DSV keinen Einfluß auf die Unterlizenz-Inhaber hat. Der Verband kann zwar drohende Schäden erkennen, kann sie aber nicht erhindern. "Dies stellt im Rechtssinne eine Knebelung dar".

So geht's weiter. Nahezu jeder Punkt wird juristisch zerpflückt. Fazit des Juristen: "Selbst bei einer laienhaften Betrachtung des Vertrags bleibt es nicht verborgen, daß einige DSV-Leistungen, die zu erbringen sind, möglicherweise Totalverluste für den DSV bedeuten."

Tretow unterschrieb den Vertrag trotzdem. Seine Mitglieder im Präsidium informierte er freilich nur über "die wesentlichen Teile des Kontrakts", sagt Klaus Nottrodt, der scheidende Sportdirektor. Die Präsidenten der Landesverbände wußten gar nichts, sie werden erst in den nächsten Tagen offiziell informiert. Das ist allerdings Aktionismus. Inoffiziell haben die meisten Landesfürsten den Vertrag schon erhalten.

Und sie alle werden über den Betrag von 250 000 Mark gestolpert sein. Der Betrag erscheint lächerlich erging, und dummerweise ist selbst von dieser Summe bislang noch kein Geld geflossen. Die erste Jahresrate war zwar am 15 Februar fällig, doch bislang wurde noch nichts überwiesen, das räumt man bei SMS offen ein. Aber in Kürze solle bezahlt werden. Rein formal könnte das zu spät sein. Denn laut Punkt 5, Absatz 3 c des Vertrags mit SMS ist eine fristlose Kündigung dann möglich, "wenn SMS dem DSV die (...) Prämien trotz Mahnung und einer Frist von vier Wochen nicht zahlt. Die vier Wochen sind längst vorbei.


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