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Die Entwicklungsnation soll 2004 Olympiasieger werden

Findige Köpfe wollen deutschen Wasserballern aus Misere helfen - Schwacher Auftakt zur Sydney-Qualifikation in Hannover

Von Norbert Fettback

Hannover - Es sind nicht nur die subtropischen Temperaturen unter dem Hallendach des hannoverschen Stadionbandes, die seit Sonnabend so manchem der am Beckenrand geschäftig dreinblickenden Herren den Schweiß auf die Stirn treiben. Vier Monate vor den Olympischen Spielen werden in der niedersächsischen Landeshauptstadt bis zum 14. Mai die fünf letzten Startplätze für das Wasserballturnier in Sydney vergeben.
Die Teilnahme der Deutschen droht zum Glücksspiel zu werden. Zum Auftakt setzte es in Hannover gleich eine nicht eingeplante 7:9-Auftaktniederlage gegen die Slowakei. Und der Bundestrainer Uwe Sterzik (34) gibt prompt schon Durchhalteparolen aus. "Wir werden bis zur letzten rechnerischen Chance kämpfen", sagt er. "Olympia darf nicht ohne uns stattfinden."

An einen solchen Flop mag im Moment niemand denken. Doch im Wasserball ist Deutschland seit dem Triumph bei der Europameisterschaft 1989 zur Entwicklungsnation mutiert: Die veraltete Verbandsstruktur hemmt notwendige Reformen, der Sportart mangelt es an professionellen Vereinen, die Stars werden vom betuchten Ausland gelockt. Doch findige Köpfe planen unverdrossen bereits für eine rosige Zukunft. Mit deutschem Anschub soll eine "Golden League" für Nationalmannschaften entstehen. Und ein Ende der nationalen Misere ist auch schon vorgesehen: 2004 soll das Bundesadler-Team Olympiasieger sein.

Vorerst regiert jedoch Zurückhaltung. Ein Scheitern in der Sydney-Qualifikation, gesteht der Wasserballwart des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV), Ewald Voigt-Rademacher ein, hätte "fatale Folgen". Die Deutschen, seit Jahren in der ältesten olympischen Mannschaftssportart nur noch Mittelmaß und bei der Europameisterschaft 1999 schon glücklich über Platz 8, müssten sich dann weiter mit der niedrigsten Förderstufe bescheiden. Das hieße: kaum noch Zuwendungen für Trainerstellen oder die Vorbereitung auf Saisonhöhepunkte. Im Olympiajahr hat der DSV voll und ganz darauf gesetzt, dass die Nationalmannschaft die Qualifikationshürde in Hannover nimmt. Die gesamten 200 000 Mark, die der Auswahl in diesem Jahr zur Verfügung stehen, seien ausgegeben, räumt Voigt-Rademacher ein. "Wenn wir nach Sydney fahren, muss neu verhandelt werden", sagt er, "wenn nicht, hat die Nationalmannschaft für den Rest des Jahres Ruhe."

Verloren zumindest ist in Hannover noch nichts. In den restlichen Gruppenspielen gegen Kolumbien (gestern bei Redaktionsschluss nicht beendet) und Kanada (heute) dürften die Deutschen die Platzierungsrunde erreichen, in der etwa Russland und Kuba als Kontrahenten warten. "Wir schaffen das", sagt Nationalmannschaftscenter Marc Politze (22) vom Bundesliga-Zweiten Waspo Hannover.

(Die Welt 08.05.2000)


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