Europapokal der Pokalsieger

Ein Pokalsieger, der kein Pokalsieger ist
Erinnerung an Alfred Balen

VON DR. GÜNTER SCHWILL


RN Florenz - Dinamo Moskau, so heisst in diesem Jahr die Finalpaarung um den Europacup der Pokalsieger. Dabei erleben wir das Paradoxon, dass beide Gegner gar keine Pokalsieger sind und deshalb diesem Anspruch eigentlich gar nicht gerecht werden. Denn weder in Italien noch in Russland gibt es derzeit den "Pokal"-Wettbewerb. Dennoch haben beide Verbände für diesen internationalen Cupwettbewerb gemeldet, um ihren Spitzenmannschaften ein interessantes Forum und leistungsstarke Begegnungen zu ermöglichen.

Spitze Zungen behaupten schon lange, dass der Pokalsieger-Cup eigentlich ein "Verlierer-Cup" ist. So unrecht haben sie dabei nicht. Dinamo Moskau hatte 1999 die Meisterschaft in Russland gegen Spartakus Wolgograd verloren, Florenz gar wurde nur Dritter der Landesmeisterschaft hinter Rom und Posillipo. Da die Neapolitaner auf eine Cupteilnahme verzichteten, rückte Florenz auf Platz 2 nach.

Die derzeitige Meldepraxis bei der LEN hinterlässt einen schalen Geschmack. Zu Zeiten, als es die LEN-Trophy als "dritten Europacup" noch nicht gab, konnte noch Verständnis hierfür aufgebracht werden, auch die "zweite Garnitur" eines Landes international zu beschäftigen. Heute jedoch sollte eine klare Zäsur gezogen werden.
So wie es für die Landesmeister keinen "Ersatz" im Meistercup gibt (Beispiel: Beim Verzicht des spanischen Meisters Real Canoe für den laufenden europäischen Wettbewerb war ein Nachrücker nicht möglich), sollten auch im Pokalsieger-Cup nur Pokalsieger spielen. Alle anderen Mannschaften könnten problemlos vom LEN-Cup aufgefangen werden.

Unvergessen bleibt dem Autor dieser Zeilen eine Begebenheit mit Spandaus Trainer-Legende Alfred Balen. Spandau hatte 1982 den Landesmeister-Cup gegen Dinamo Alma Ata gewonnen und wähnte sich "Meister von Europa". Da verpflichtete die LEN die Spandauer, zum Supercup in Barcelona anzutreten. Gegner war damals ZSKA Moskau, in der sowjetischen Meisterschaft zuvor von den "Dynamos" aus Kasachstan bezwungen. "Ich spiele nicht gegen die Verlierer", wetterte Alfred Balen tagelang und wollte nicht den gerade gewonnenen Nimbus des "Vereinsmeisters von Europa" aufs Spiel setzen. Sein schussgewaltiger Linkshänder Frank Otto nahm diese Ankündigung nur zu gern zur Kenntnis, denn ihn lockten Abenteuer in Australien. Die Saison war lang genug gewesen, nun buchte er schnell seinen Ferienflug.

Das Resultat: Spandau flog doch nach Barcelona, jetzt ohne Otto, und ging kläglich gegen die Armeemannschaft von ZSKA Moskau baden (7:12). Selbst der Händedruck von IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch verwand kaum den Schmerz, vom "Verlierer" zum Verlierer gemacht worden zu sein.

In der langjährigen Geschichte des LEN-Supercups gibt es zahlreiche Beispiele dieser Art. In mehr als der Hälfte aller Spiele triumphierte der Cupsieger, der selten nationaler Pokalsieger war, gegen den Landesmeister. Konsequent schaffte die LEN mit der Einführung der Champions League vor vier Jahren diesen Supercup ab. Zu dem anspruchsvollen Wettbewerb Champions League sollte es - mit Recht - keine Steigerung mehr geben.
Der europäische Pokalsieger-Cup brauchte sich zukünftig nicht zweitklassig zu sehen, wenn er ein wahrer Cupsieger-Cup wäre.

(23.03.2000)


Startseite News