Barceloneta und Jug für LEN-Trophy favorisiert
Deutsche Teams nur Zaungäste - Börner pfeift in Pescara

VON DR. GÜNTER SCHWILL


Die LEN-Trophy, der dritte Europacup-Wettbewerb nach Champions League und Pokalsieger-Cup, ist die jüngste der drei europäischen Vereinsmeisterschaften bei den Männern. 1992 ins Leben gerufen, findet in diesem Jahr erst die 8.Ausspielung statt. Drei Titel gingen bisher an Ujpest Budapest, je einer an Rom, CN Barcelona, Pescara und Partizan Belgrad.

28 Meldungen gingen für den diesjährigen Cup ein, der im Rahmen der EM in Florenz ausgelost wurde. Inzwischen ist das Teilnehmerfeld nach Qualifikation und Vorrunde auf 8 Mannschaften geschrumpft. Zu den allzu früh "Geschlagenen" zählen auch die beiden deutschen Bewerber, der ASC Duisburg und der SV Cannstatt. Am 29.Januar treten die verbliebenen Mannschaften im Viertelfinale im Hinspiel an, die Rückspiele finden am 12. Februar statt. Folgende Paarungen wurden gelost:

Canottieri Neapel - Atletic Barceloneta,
Jug Dubrovnik - Primorac Kotor,
Conad Pescara - Primorje Rijeka.
UVMK Eger - Vasas Budapest.

Zu den Favoriten der diesjährigen LEN-Trophy zählt Spaniens derzeitige Nummer 1 : Atletic Barceloneta. Durch die spektakuläre Verstärkung mit Manuel Estiarte, der lebenden Wasserball-Legende (Estiarte nimmt als erster Wasserballspieler in Sydney an seinen 6. Olympischen Spielen teil), ist eine neue katalanische Hochburg entstanden. Weitere Zugänge erfolgten durch den Jugoslawen Petar Trbojevic (wie Estiarte von Pescara) und Olympiasieger Jordi Sans (von Catalunya). Im Vorrunden-Turnier in Barcelona wurde der bisher dreifache LEN-Trophy-Sieger Ujpest Budapest aus dem Wettbewerb gekippt. Das 9:5 der Katalanen gegen den amtierenden Titelträger war deutlich.

Trotzdem ist jede Begegnung eine neue Herausforderung. So sieht es Enzo D'Angelo, einer der grossen italienischen Trainer von Canottieri Napoli, Gastgeber des Hinspiels gegen Barceloneta. Er hat viele Wasserballschlachten erlebt, als Spieler wurde er unter Fritz Dennerlein mit seinem jetzigen Posillipo-Trainerkollegen Paolo De Crescenzo 1977 Europapokalsieger. (Die Würzburger Senioren um die Brüder Günter und Horst Kilian sowie Spielmacher Günter Wolf werden sich gut an die Schlachten der Finalrunde in Palermo erinnern).
Nachdem Posillipo dem eigentlichen Traditionsverein CC Napoli lange Jahre den Rang abgelaufen hatte, führt Enzo D'Angelo seine Schützlinge jetzt wieder behutsam in die Beletage des Wasserballs zurück. Es helfen die beiden Ungarn Gergely Kiss und Szabulocs Binder, dazu kommt eine gute Mischung des eigenen Nachwuchses mit zwei Junioren-Weltmeistern. Im vorgezogenen Punktspiel bei Schlusslicht Civitavecchia am Mittwoch abend, drei Tage vor dem Europa-Cup, legte sich "Canottieri" voll in die Ruder; 18:6 hiess das Ergebnis für die Neapolitaner.

Ein ganz grosser Favorit für die diesjährige LEN-Trophy kommt aus Dubrovnik. Einmal schon Europacupsieger im Jahr 1980, danach aber gleich wieder abgetaucht, spielt Jug Dubrovnik in diesem Jahr eine hervorragende Rolle in der kroatischen Troika mit Mladost Zagreb und Splitska Banka. Diese drei Mannschaften überragen alle anderen in einer der stärksten Ligen der Welt, in der genau wie in Italien 4 mal 9 (statt 4x7) Minuten gespielt wird. Mit dem Ungarn Dr. Tamás Molnar, ausserdem mit den Nationalspielern Smodlaka und Ivanis sowie mit der spektakulären Verstärkung durch Alen Boskovic vom Champions-League-Gewinner Splitska Banka präsentiert sich Jug "cupverdächtig".
Da werden den Montenegrinern von Primorac Kotor keine grossen Chancen eingeräumt, auch wenn in dieser Woche im jugoslawischen Pokal mit der Eliminierung von Partizan Belgrad (10:7), dem LEN-Trophy-Gewinner von 1998, Aufmerksamkeit erregt wurde.

Viel ausgeglichener und völlig offen dürfte dagegen die Begegnung Pescara gegen Primorje Rijeka verlaufen. In diesem "Adria-Derby" gibt es viele Querverbindungen. Der neue Trainer Bruno Silic von Pescara, der noch in Atlanta den Silbermedaillen-Gewinner Kroatien coachte, hat ein schweres Erbe in Italien angetreten. Er hat den Verein Pescara kurz vor der Auflösung aufgefangen und mit bisher guten Ergebnissen aufgewartet. Zwei kroatische Landsleute helfen ihm dabei, die Senioren Krekovic und Mladen Delic. Dass er Milan Tadic als Torwart (früher Posillipo) gewann, machte seine Abwehr sicher. Mit Alessandro Calcaterra behielt er einen der Sturmtank-Brüder (Roberto zog nach Florenz). Marco D'Altrui, der 36jährige Senior, sowie Bovo und Pomilio sind wertvolle Stützen.
Sicher im Gebrauch der italienischen Sprache, schont Silic weder Schiedsrichter noch sich. So wurde er am letzten Sonnabend in Bologna auf die Tribüne verbannt. Aber was ist der Wasserballsport ohne Leidenschaft? Im Mittwoch-Spiel (am 26.Januar) siegte Pescara bei der "Generalprobe des E-Cups" 11:10 gegen Savona und sicherte sich ganz wichtige Meisterschaftspunkte. Trotzdem, an eine Wiederholung des Erfolges von 1995/96 mit dem Gewinn der LEN-Trophy denkt niemand, aber dabei sein ist wichtig.
Gegner Primorje Rijeka war stets ein Begriff in der Wasserballwelt. Ein grosser Erfolg stellte sich 1996 mit dem Pokalsieg in Kroatien ein. Im darauffolgenden Europacup-Viertelfinale hiess der Gegner, wie heute, Pescara. Nach zwei "Schlachten" mit Verlängerung zog Primorje ins Halbfinale, weil das Rückspiel in Rijeka mit 5 (!) Toren Differenz gewonnen wurde. Doch die bekannten Namen von damals sind weitergezogen: Barac zu Splitska Banka, der Slowake Robert Kaid nach Italien und von dort wieder in seine Heimat. Zu Nationalspieler Hinic ist als spektakuläre Verstärkung der ungarische Europameister Peter Biros gekommen, der mit seinen 5 Finaltoren gegen Kroatien als "Held von Florenz" gefeiert wurde. Es verspricht eine spannende Partie zu werden, die der Deutsche Hans Börner zu leiten hat.

Unglücklich waren die Ungarn über die Auslosung, die mit UVMK Eger gegen Vasas Budapest eine wenig attraktive Paarung erhielten. In dieser Begegnung gilt die von Dr. Tamás Farago geführte Budapester Mannschaft als Favorit. Sorgen gibt es um die Gesundheit von András Gyöngyösi, dem Italien-Rückkehrer. Die Schulter will trotz aller medizinischer Kunst nicht mehr. Als das Wort "Simulant" aufkam, gab es unter den sonst fairen Sportlern Ungarns erhebliche Irritationen.

Dass die LEN-Trophy kein Wettbewerb der "Verlierer" ist, wie einige Spötter behaupten, zeigt ein Blick auf die Europacup-Ehrentafel:

Canottieri Neapel: Europacup-Sieger 1977
Pescara: 3x Pokal-Cupsieger (1989, 1993, 1994), 2x Supercup-Gewinner, 1x LEN-Trophy 1996
Jug Dubrovnik: Europacup-Sieger 1980
Vasas Budapest: 2x Europacup-Sieger (1979, 1984), 2x Pokal-Cupsieger (1985, 1995), 4x 2.Sieger im Supercup

Es werden spannende Spiele erwartet. Noch dürfen alle acht Mannschaften von der LEN-Trophy träumen, doch die Favoriten sind in Barcelona und Dubrovnik zu Hause.

(27.01.2000)


Startseite News