Turbulenzen im und außerhalb des Wassers
Spandau 04 im Glück, Sterzik im Pech

VON GERD KUJATH

Das Pfingstfest 2000 wird mit Sicherheit in die Geschichte des deutschen Wasserballs eingehen. Nicht nur weil Spandau 04, das sich im Pokalhalbfinale im Berliner Olympiabad 10:4 gegen Rote Erde Hamm durchgesetzt hatte, beim glücklichen 8:5-Endspielsieg (1:1, 2:1, 0:1, 1:1 - 2:1, 2:0) nach Verlängerung über seinen Dauerrivalen Waspo Hannover in der regulären Spielzeit nur sieben Sekunden von einem k.o. entfernt war. Denn genauso unerbittlich sich beide Spitzenteams im Wasser bekämpften, hatten deren Nationalspieler zuvor verbal für ihre Sache gestritten.
Aufgrund des Scheiterns bei der Olympia-Qualifikation im Mai in Hannover, unterbreiteten am Pfingstsonnabend der Berliner Kapitän Patrick Weissinger, Aktivensprecher der deutschen Auswahl, Wasserballwart Ewald Voigt-Rademacher eine gemeinsame Resolution, in der die Auswahlakteure einstimmig den sofortigen Rücktritt von Bundestrainer Uwe Sterzik, Sportdirektor Nicolae Firoiu sowie Mannschaftsbetreuer Dietmar Helm fordern. Sterzik wird falsche Taktik und völlig unzureichende Motivation angekreidet, Firoius Wirken sei undefiniert und damit kontraproduktiv, während Helm die Qualifikation für seine Aufgabe fehle, lauten in komprimierter Form die Hauptkritikpunkte. Zwar wollte Ewald Voigt-Rademacher seine Personalentscheidungen in Berlin noch nicht bekanntgeben, da es noch arbeitsrechtliche Dinge zu klären gilt. Fest steht jedoch, "dass die drei Verantwortlichen nicht mehr zu halten sind", sagte Spandaus Center Thomas Schertwitis.
Demgegenüber hielt Waspo-Torwart Michael Zellmer im Finale gleich reihenweise so genannte unhaltbare Bälle. Dabei herrschte selbst ohne seine starke Leistung bereits genügend Dramatik. So kollidierte Weissinger, den Kopf unter Wasser, direkt vor seinem Treffer zum 1:0 mit seinem hannoverschen Freund Sven Reinhardt und brach sich das Nasenbein- Ihm folgte sein Kollege Lasse Noerbaek, der ohne gegnerische Einwirkung nach dem zweiten Viertel mit gebrochenem Finger passen musste. Zu diesem Zeitpunkt hatte Waspo gerade auf 2:3 verkürzt und schaffte es dank Zellmers Paraden sowie einer überragenden Vorstellung des 21-Jährigen Sören Mackeben in der 25. Minute sogar mit 4:3 in Front zu ziehen. Doch selbst Zellmers Krakenamre, die Schwertwitis und Co. Fast 20. Minuten lang zu keinem Torerfolg kommen liessen, konnten nicht verhindern, dass Spandaus Oldie André König mit einem Verlegenheitswurf sieben Sekunden vor dem Spielende ausglich und damit die Verlängerung erzwang. "Ich musste so kurz vor Schluß einfach draufhalten und habe Glück gehabt", bekannte der Schütze ehrlich. Kaum hatte die Zusatzzeit begonnen, wurde es noch turbulenter. Da spaltete der Kasachse Alexander Elke mit angezogenem Knie Waspo-Center Marc-Politze das Nasenbein, so dass die Partie für den Angreifer, der in den kommenden Wochen mit einer Schiene und Gesichtsmaske spielen wird, vorzeitig beendet war. Als beim Stand von 5:5 Schiedsrichter Kutz einen Viermeter für die Berliner gab, Hannnovers Rekordnationalspieler Lars Tomanek dadurch wegen seines dritten Fouls disqualifiziert wurde, platzte seinem Trainer Bernd Seidensticker endgültig der Kragen. Mit dem Resultat, dass ihn Oberschiedsrichter Pollmann auf die Tribüne verbannte. Spätestens um Mitternacht als Spandau 04-Präsident, die deutsche Wasserballlegende Hagen Stamm mit Siegern und Verlieren auf seinen 40. Geburtstag anstieß, waren die Turbulenzen geglättet. Zudem hatte ein kurzes Gewitter die schwüle Luft gereinigt, so dass es sich für Berliner und Hannoveraner auf der Spandauer Klubterrasse angenhm aushalten ließ. Sterzik, Firoiu und Helm bekamen davon indes nichts mit. Sie hatten unmittelbar nach dem Endspiel ihre Koffer gepackt und waren vorzeitig abgereist.

(13.06.2000)