Der Moldawien - Coup oder:

Wie Nico Firoiu von einem bösen Traum bedrängt wurde

VON DR. GÜNTER SCHWILL


Schon seit Monaten kursierten die Gerüchte über einen Moldawien-Coup. Der junge Zwergstaat im Südosten Europas wollte Wasserball-Geschichte schreiben. Praktisch von Null, aus dem Souterrain der Bedeutungslosigkeit sollte für Moldau der Weg in die Belletage führen. Dafür aber brauchte das Land eine Spitzenmannschaft. So wurden sehr gute russische Spieler mit lukrativen Angeboten gelockt, Staatsbürger Moldawiens zu werden. Der Ruf blieb nicht ungehört.

Als das deutsche Team zum Europameisterschafts-Qualifikationsturnier in Athen eintraf, glaubte es, allen voran seine Trainer Nicolai Firoiu und Uwe Sterzik, seinen Augen nicht zu trauen. Fast eine komplette russisch-sowjetische Besetzung stieg für Moldawien ins Wasser, was den deutschen Wasserballwart Ewald Voigt-Rademacher zu der Bemerkung verführte, die Moldauer sein ein "saustarkes Team".

Für Deutschland ging es in Athen um alles oder nichts. Nach den wenig glücklichen Vorstellungen des deutschen Wasserballs in den letzten Jahren mußte mit der EM im Spätsommer in Florenz wieder ein glanzvolles Ereignis erreicht werden.
Der deutschen Mannschaft aber traten nun die "Helden von gestern" mit neuen moldawischen Pässen entgegen. Globalisierung im Sport. Nur 12 Monate Länderspielpause mußten nach internationalem Reglement zwischen zwei Nationalitäten liegen.

Im Tor stand Dimitri Shederkin, ein Meister seines Faches, derzeit beim türkischen Meister Galatasaray Istanbul unter Vertrag. Im Feld mit der Kappe Nr. 9 spielte Sergej Rodionov, der seine Zelte jüngst in Athen aufgeschlagen hatte und seither als wertvoller Spieler bei Ethnikos Piräus (Dritter im griechischen Pokal) gilt. Er sorgte im Spiel gegen Deutschland für den 3:3-Ausgleich und schoß gleich danach die 4:3-Führung für Moldawien heraus.
Es wurde aber noch viel schlimmer mit dem Trio Kolotov - Markoch - Apanasenko, an das sich Firoiu sein Leben lang erinnern wird. Alle drei standen bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul in der sowjetischen Mannschaft, die den Deutschen in allerletzter Sekunde die Bronzemedaille entriß, was anschließend viel Wirbel und personelle Konsequenzen verursachte.
Alexander Kolotov, Nr.7, torgefährlich auch in diesem Spiel mit zwei wichtigen Anschlußtreffern zum 3:2 und 7:6. Sergej Markoch, der in den letzten Jahren Spartacus Wolgograd zur russischen Meisterschaft geführt und sowohl WF Spandau 04 als auch Waspo Hannover aus dem Europacup gedrängt hatte. Und schließlich Apanasenko, die es gleich zweimal gibt: der ältere Dimitri und der 26jährige Maksim. Der Kampf um die Brüder Apanasenko war unentschieden ausgegangen. Der "Grieche" Dimitri, der bei Panathinaikos Athen sein Geld verdient und dafür immerhin Torschützenkönig der griechischen Liga wurde, spielte die "moldawische Karte". Seine russische Karriere war mit Seoul und Barcelona vorbei. Anders sah es bei Bruder Maksim, dem Abwehrrecken von Jug Dubrovnik, aus. Er, der in Atlanta seinen olympischen Auftritt in der russischen Mannschaft hatte, sieht dort auch für Sydney gute Chancen.

Glücklicherweise stand im Tor der Deutschen auch ein gebürtiger Russe: Alexander Tchigir von Wasserfreunde Spandau 04. Er kannte fast alle seine Gegner, mit denen er teilweise früher zusammengespielt hatte, zuletzt bei dem Bronze-Erfolg 1992 in Barcelona. Seinen guten Paraden und der überragenden Leistung des Hannoveraners Sven Reinhardt mit seinen 4 Treffern ist es zu verdanken, daß der böse Traum für Nico Firoiu und den gesamten deutschen Wasserball nicht zum Alptraum wurde.

(22.06.1999)


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