Wasserball

Nachgefragt bei: Hagen Stamm, Bundestrainer der deutschen Wasserball-Nationalmannschaft

Hagen Stamm ist so etwas wie der Franz Beckenbauer des Wasserballs. In seiner aktiven Zeit wurde der Weltklasse-Center zweimal Europameister und gewann mit seinem Klub Spandau 04 zwölf nationale Meistertitel. Er brachte es zwischen 1979 und 1992 auf über 323 Länderspieleinsätze und warf dabei mehr als 750 Tore. Der 40 Jahre alte Berliner besitzt einen Fahrradgroßhandel mit über 100 Beschäftigten und ist zudem Präsident der Wasserfreunde Spandau 04. Seit vergangenem Herbst trainiert er die deutsche Nationalmannschaft. Wir hatten schon befürchtet, die Wasserball-Nationalspieler müßten bei ihren Lehrgängen in Jugendherbergen hausen. Das Hotel, in dem Sie hier in Stuttgart untergebracht sind, ist doch ganz komfortabel, oder?

Ja, das hier ist aber auch die große Ausnahme. Die Kosten für die EM-Vorbereitung übernehmen die Stadt Stuttgart und der Landesschwimmverband. Sonst übernachten wir schon oft auf unterem Jugendherbergsniveau. Aber das ist auch o.k. Wer nicht in der ersten Liga spielt, muß auch nicht erste Liga wohnen.

In welcher Liga spielt die deutsche Mannschaft im Jahr 2001?

Sie ist jedenfalls weit von der ersten Liga entfernt, ganz weit. Wir haben hier zusammen mit den Russen trainiert. Bei denen sieht es so aus, als stünden sie im Wasser auf einem Podest. Bei uns hat man den Eindruck, das Podest rutscht immerzu weg. Die Spieler aus den besten Nationen sind ganz anders ausgebildet als die Deutschen.

Ihre Mannschaft kann sich bei der Europameisterschaft in Budapest von diesem Freitag an für die WM vier Wochen später in Japan qualifizieren. Wie wichtig ist es, in Fukuoka dabeizusein?

Extrem wichtig. Wir haben im vergangenen Jahr die Olympia-Qualifikation verfehlt, zum ersten Mal in der Neuzeit der Spiele überhaupt. Diese Schmach müssen wir wieder ausmerzen. Wir fangen von ganz unten an. Auf dem Weg zurück in die Weltspitze gibt es für mich drei Meilensteine. Der erste war die EM-Qualifikation, den haben wir erreicht. Der zweite ist die Europameisterschaft. Wenn wir Neunter werden, sind wir in Fukuoka dabei. Wir haben eine blutjunge Mannschaft. Die kann sich nur steigern, indem sie bei großen Turnieren Erfahrungen sammelt. Bei den Olympischen Spielen im Jahr 2004 wollen wir wieder zu den Besten gehören.

Glauben Sie, daß die Leute vom Deutschen Schwimm-Verband den Wasserballern bei der EM die Daumen drücken?

Das ist eine gefährliche Frage. Jeder weiß, daß der DSV selbst nicht auf Rosen gebettet ist. Insofern ist Fukuoka finanziell gesehen ein Todeskommando. Zumal ja auch noch die Gefahr besteht, daß sich auch die Frauen für die WM qualifizieren. Japan ist unglaublich teuer, pro Mannschaft würde das den DSV 150000 Mark kosten. Deshalb gibt es sicher welche, die uns nicht die Daumen drücken werden. Und jetzt fragen Sie bestimmt gleich, woher wir das Geld nehmen sollen.

So ist es.

Das Geld ist definitiv noch nicht da. Aber es gibt verschiedene Möglichkeiten, da ist der DSV jetzt gefordert. Bei der öffentlichen Förderung durch den Bund könnte ich mir zum Beispiel vorstellen, einen Vorgriff auf den Etat des nächsten Jahres zu machen. Aufgrund einer unglücklichen Verkettung haben wir die EM und die WM innerhalb eines Jahres, dafür ist nächstes Jahr kein einziges großes Wasserballturnier, also fallen auch weniger Kosten an. Das tödlichste wäre es, wenn wir uns qualifizieren und aus finanziellen Gründen nicht teilnehmen. Da würde der Wasserball samt DSV international sein Gesicht verlieren. Zur Not nehmen wir halt unsere Zelte mit nach Japan und übernachten am Strand.

Man hört, daß die Japaner mit wilden Campern nicht spaßen.

Dann kommen wir wenigstens so mal ins Fernsehen. Stellen Sie sich die Bilder vor, wie die deutsche Wasserball-Nationalmannschaft am Strand verhaftet wird.

Sie haben sich schon mehrfach darüber beklagt, daß die Vermarktungs- und Fernsehverträge, die der Schwimmverband geschlossen hat, die Wasserballer klar benachteiligen. Aber welcher Sender hat Interesse daran, die Spiele einer erfolglosen Wasserball-Nationalmannschaft zu übertragen?

Das ist ja dieser Teufelskreis, in dem auch andere Randsportarten stecken. Ohne Erfolge kein Fernsehen, ohne Fernsehen keine Sponsoren und ohne Sponsoren kein Erfolg. Aber das Entscheidende sind die Rahmenbedingungen. Wenn meine Burschen sich für ihren Sport quälen und ihr Studium hintanstellen sollen, muß man ihnen einen finanziellen Anreiz schaffen, wenigstens einen kleinen. Aber es gibt da für uns keinen Weg, weil wir uns ja nicht einmal selbst vermarkten dürfen. Bei der Vermarktung des DSV richtet sich alles aufs Schwimmen, das ist ja eine erfolgreiche Geschichte. Ich habe meine Zweifel, ob die sich für den Wasserball richtig bemühen.

Was wäre eine Lösung?

Wir brauchten mehr Autonomie. Anders geht es nicht. Andere Länder wie Ungarn oder Australien haben es vorgemacht und einen eigenen Wasserballverband gegründet, mit Erfolg. Aber so einen radikalen Schritt

Die Fragen stellte Gerd Schneider.

Frankfurter Allgemeine Zeitung 13. Juni 2001)


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