DSV-Verbandstag würdigte Dierichs Werk

VON CLAUS BASTIAN

Mit Rückgrat und Rechtswissen predigte er Redlichkeit - Der DSV dankte dem Dortmunder Gerhard Dierich.
Er stand immer im Dienste des Rechts; wem Unrecht getan wurde, dem hat er gern unbürokratisch geholfen.
Nun hat Gerhard Dierich, wenige Wochen vor seinem 87. Geburtstag, den er am 20. Mai in Dortmund begeht, den Abschied von der großen Bühne des deutschen Schwimmsports genommen - freiwillig - und muss doch die Geschäfte als WB-Koordinator weiterführen, bis ein kompetenter Nachfolger gefunden ist - eine nicht ganz einfache Aufgabe. Der gebürtige Breslauer genoss im DSV den Ruf als "Regel-Papst". In der Auslegung von Rechtsfragen galt er als (nahezu) unbestechlich in seinem Urteil. Allen vier Sparten war der von hohem Rechtsbewußtsein geprägte Pensionär seit Jahren eine wertvolle Stütze in Fragen der Wettkampfbestimmungen.
Nie hatte er sich um ein Amt beworben; immer war seine Mitarbeit erwünscht, sein Name stand für Solidität. Zunächst als Vorsitzender der Regelkommission und schließlich als Koordinator für WB-Fragen stand Gerhard Dierich in ganz Deutschland in hohem Ansehen.
Als Autor der beliebten WB-Ecke und bei der Beantwortung von kniffligen Rechtsfragen im derzeitigen Verbandsmagazin und den Vorgängern half er Vereinen, Funktionsträgern und höchsten Fachwarten über manche Klippen rund um Regelauslegungen hinweg. So war es nicht verwunderlich, das der schmückende und ehrende Beiname "WB-Papst" ein Gütezeichen für den unbestechlichen und pein-lich genauen Ehrenmann geworden war.
Wer Dierich bei den Fachtagungen der DSV-Sparte Wasserball erlebte, der konnte immer nur staunen über das fundamentale Wissen dieses Mannes um die Bestimmungen und Regeln dieser Mannschaftssportart. Oft musste er vor übereilten Beschlüssen warnen, Anträge hieb- und stichfest formulieren sowie standhafte Zweifler schließlich eines Besseren (Richtigen) belehren. Alles in allem konnte diesem rechtsbelesenen Mann trotz seines hohen Alters keiner "das Wasser" reichen.
In seinem Bericht zu einem DSV-Verbandstag lobte der Schweinfurter Rainer Wittmann als Vorsitzen-der des DSV-Schiedsgerichtes den von ihm geschätzten Gerhard Dierich auf seine Weise: "Für die Umsetzung der Arbeit der Schiedsgerichte nach draußen zu Vereinen und Verbänden hat sich die gute Zusammenarbeit mit WB-Koordinator Gerhard Dierich bewährt, der mit seiner "WB-Ecke" viel zur Streitvermeidung beiträgt". Und bei gleicher Gelegenheit meinte der einstige Präsident von Württemberg, Dr. Rolf Thieringer wörtlich: "Ich bewundere Deine Souveränität, mit der Du auf rechtliche Fragen reagierst". Schließlich schrieb der frühere DSV-Schwimmwart Rainer Wittmann im Zusammenhang mit den WB-Ecken: "Auch die kontinuierliche Aufklärung durch den WB-Koordinator hat sicherlich Unklarheiten beseitigt und Klagen vermieden".
Beruflich brachte es der Schlesier zum Stellvertreter des Direktors der Bereitschaftspolizei Nordrhein-Westfalen. In diesem Zusammenhang versah er mehrere Jahre die Position des Fachwartes Schwimmen im Polizeisportbeirat des bevölkerungsreichsten Bundeslandes und im Deutschen Polizeisport-Kuratorium.
In "seinem" Westdeutschen Schwimm-Verband (heute SV NRW) arbeitete Dierich als Geschäftsführer, 2. Vorsitzender sowie Präsident und wurde mit seinem Ausscheiden aus dem Führungsamt zum Ehrenpräsidenten ernannt.
Dem DSV-Präsidium gehörte Dierich von 1969 bis 1975 und nochmals von 1977 bis 1983 als Vizepräsident an. 1974 versuchte der damalige DSV-Präsident Dr. Hermann Karg den erfahrenen Mann aus dem Westen als hauptamtlicher Generalsekretär für die Geschäftsstelle in München zu gewinnen. "Das gefiel meiner Frau und mir zunächst recht gut, aber dann dachten wir an unsere drei Töchter und die zu erwartenden Enkel und lehnten das Angebot schließlich ab", erzählte Dierich später.
Und an eine interessante Ablehnung anderer Art erinnert er sich gleich nach der ersten Amtsübernahme. "Ich vertrat Hermann Karg für den DSV im August 1969 in Würzburg beim Acht-Länderkampf der Männer in Rahmen des Europapokals. Am Start war auch die Mannschaft der DDR, und es ging darum, dass deren Verantwortliche beim Einmarsch ihre Flagge zeigen wollten. Ausrichter und einige DSV-Verantwortliche hatten offenbar schon Zusagen gemacht, ich telefonierte aber mit dem damaligen DSB-Präsidenten Weyer und verschaffte mir Rückendeckung. Beim erneuten Vorsprechen von DDR-Generalsekretär Barthelmes fragte ich ihn, aufgrund welcher Bestimmungen das Zeigen der DDR-Fahne nach den FINA- oder LEN-Regeln erlaubt sei. Plötzlich war das Problem vom Tisch und die Flaggenfrage erledigt".
Später stand Gerhard Dierich bei den Olympischen Spielen 1972 von München als Wettkampfdirektor in hoher Verantwortung, bei den WM 1978 in Berlin als Chef des Protokolls genau so wie bei den EM 1989 in Bonn.
Der scheidende WB-Kundige war jedoch nicht nur der Mann am "Grünen Tisch", sondern von seiner sportlichen Herkunft durchaus auch ein Vollblutpraktiker. Im Knabenalter aktiv beim Neuen Schwimmverein Breslau, 1935 als schlesischer Meister im 200 Meter Brustschwimmen und Starter der Deutschen Hochschulmeisterschaften. Die eigene aktive Erfahrung im Schwimmsport führte dann später nach dem 2. Weltkrieg zum Leiter der Schwimmabteilung des Polizei TuS Linnich und zum Trainer beim SC Hellas Wuppertal und Schwimmwart im Bezirk Aachen des WSV.
Die große Zahl der Dierich-Ehrungen gipfelte in der Sportplakette des Landes NRW und dem Ehrenbrief des DSV als dessen höchste Auszeichnung. So mußte für seine Verabschiedung die exzeptionelle "Goldene Ehrennadel mit Brillant" geschaffen werden, um dem Anlass gerecht zu werden als sichtbarer Ausdruck für die Wertschätzung eines Mannes, der sich bis in die Gegenwart mit immer neuem Elan für den DSV und seine Untergliederungen ehrenamtlich engagierte. Dem Dank seiner vielen Freunde schließt sich der Chronist mit ganz besonderer Freude und Wertschätzung an.

(swim & more April 2001)


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