Champions League, Vorschau 5. Spieltag - 25.03.2000

Spandau: Die Reise nach Becej


VON DR. GÜNTER SCHWILL


Am Wochenende läuft der 5. und vorletzte Spieltag der Champions League. Spandau hat seine drei Heimspiele bereits ausgetragen, jetzt heisst es nur noch reisen. Die nächste Station ist Becej in Jugoslawien. Spandaus Reisemarschall, Manager Volker Strobel, bereitete diese Reise einiges Kopfzerbrechen. Das Flugembargo gegen Jugoslawien zwang zu komplizierten Reiseplänen. Er hatte vier Varianten erwogen, um nach Becej zu gelangen:

1. Flug nach Budapest. Weiterreise mit der Eisenbahn. Die Strecke führte über Rumänien und dauerte ca. 22 Stunden.
2. Flug nach Zagreb und Weiterreise nach Jugoslawien  mit Bus oder Bahn. Wegen fehlender diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern nicht möglich.
3. Flug nach Budapest und Buscharter nach Becej. Das Berliner Vertragsreisebüro konnte diese Lösung nicht organisieren.
4. Flug nach Budapest. Becej bot sich an, den Bustransfer in eigener Regie zu organisieren.  
Gerade rechtzeitig zum Spiel kam in dieser Woche die befristete Aufhebung des Embargos. Zwar nimmt die Lufthansa ihren Liniendienst erst wieder im April auf, doch mit der Swiss Air via Zürich kann Belgrad angeflogen werden. Die restlichen gut einhundert Kilometer in die Vojvodina erfolgen mit einem Bus.

Was bietet dieses Wochenende sportlich ?

Praktisch hat Spandau das Ziel nicht erreicht, in die Endrunde der besten Vier in Europa zu kommen. Hier noch einmal der aktuelle Tabellenstand:

Rote Gruppe

1. VK Becej 4 3-1-0 40:24 7:1
2. Mladost Zagreb 4 2-0-2 26:22 4:4
3. WF Spandau 04 4 1-1-2 22:29 3:5
4. Spartakus Wolgograd 4 1-0-3 22:35 2:6

Blaue Gruppe

1. Splitska Banka 4 3-1-0 38:26 7:1
2. Vasutas Budapest 4 1-3-0 26:25 5:3
3. Olympiakos Piräus 4 1-2-1 33:30 4:4
4. Olympic Nizza 4 0-0-4 26:42 0:8

Theoretisch ist zwar immer noch eine Chance für ein Weiterkommen vorhanden. Das setzt einen Sieg bei Becej voraus. Wenn dann noch die Parallelbegegnung zwischen Zagreb und Wolgograd den Kroaten einen Heimsieg beschert als Revanche für die unerwartete 4:5-Niederlage in Russland, würde es noch einmal sehr interessant werden. Der Punktstand lautete dann: 1. Becej  7 Punkte   -   2. Zagreb  6 Punkte    -   3. Spandau  5 Punkte Wenn dann am letzten Spieltag Spandau in Wolgograd  zwei Punkte holte, wäre es den Berlinern gleich, ob Mladost zu Hause gegen Becej gewinnt oder verliert. Beide Ergebnisse sähen Spandau auf Platz 2 der Tabelle. Nur ein Unentschieden zwischen Mladost und Becej  wäre bitter für die Berliner, da dann bei Punktgleichheit der direkte Vergleich zählte und den hat Spandau gegen Mladost verloren. Aber das alles sind Gedankenspiele und theoretische Erörterungen, die Realität sieht leider anders aus.    

Aleksandar Sostar, der Europa-Veteran

Der Gegner VK Becej ist eine ganz grosse Nummer, gespickt mit jugoslawischen und ungarischen Nationalspielern. Stellvertretend für alle sei der Torwart genannt. Es ist der 36jährige Aleksandar Sostar, ein Europa-Veteran. Sostars Erfolge: Olympiasieger von 1988 in Seoul, Europa- und Weltmeister von 1991 (Athen und Perth) sowie Weltcup-Sieger 1987 (Thessaloniki) und 1989 (Berlin). Er hätte der erste Torwart mit dem "Grand Slam" sein können, wenn die Europameisterschaftsniederlage gegen Deutschland 1989 in Bonn nach Verlängerung und Golden Goal nicht gewesen wäre. Nach drei jugoslawischen Meisterschaften mit Partizan Belgrad und einem Titel mit Budvanska Rivijera ging er ins Ausland. Der Jugoslawien-Konflikt mit dem Ausschluss von den Olympischen Spielen in Barcelona liess viele seiner Kameraden diesen Schritt vollziehen. Sostar spielte zuerst in Neapel und gewann zwei italienische Meisterschaften mit Posillipo (1993 und 1994). Dann wechselte er nach Spanien und war erneut mit zwei Landesmeisterschaften im Team von CN Barcelona erfolgreich (1995 und 1996). 1997 in seine jugoslawische Heimat zurückgekehrt, schloss er sich der neuen Wasserball-Hochburg Becej an und gewann auch hier schon wieder zwei Meistertitel. Er lebt bis jetzt von seiner unvergleichbaren Routine, für die Nationalmannschaft aber wurde er schon nicht mehr bei der EM in Florenz eingesetzt. Es gibt im Lande bessere Torleute, möchte man den Spandauer Scharfschützen zurufen.   Ganz gleich, wie die Begegnung am Sonnabend in Becej ausgeht, Spandau hat durch sein Auftreten in der Champions League den deutschen Wasserballsport international wiederbelebt. Die Mannschaft braucht sich in Europa vor niemand zu verstecken. Neben den fünf Nationalspielern Tchigir, Weissinger, Schertwitis, Pohlmann und Noerbaek steht mit Alexander Elke ein weiteres As auf der Wunschliste des DSV. Wichtige Stützen sind die Veteranen König und Andruszkiewicz in der Abwehr und mit Igor Uchal ein zweiter Klassetorwart. Zahlreiche Junioren rücken nach, von denen René Grotzky und Timo Purschke bisher den stärksten Eindruck hinterlassen haben. Trainer Peter Röhle, selbst eine Torwart-Legende und in vielen Begegnungen auf Aleksandar Sostar getroffen, wird seinen Spielern "die Schokoladenseite" des gegnerischen Torwarts verraten. Mit seiner Tagesform steht und fällt die Partie. Es wird bestimmt ein heisser Kampf in Becej.

Hier alle Begegnungen des 5. Spieltages:

Rote Gruppe:
VK Becej - WF Spandau 04 (Hinspiel  7:7)
Mladost Zagreb -  Spartakus Wolgograd (Hinspiel 4:5)

Blaue Gruppe:
Vasutas Budapest - Splitska Banka (Hinspiel 6:6)
Olympic Nizza - Olympiakos Piräus (Hinspiel 8:12)

(22.03.2000)


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