FAZ
Wasserball
Anstrengend aber nicht brutal
 Von
Cai Philippsen, Fukuoka
19. Juli 2001 Eishockeyspieler und Wasserballer streiten
sich gern darüber, wessen Sport anstrengender ist.
Pausen zum Verschnaufen gibt es in beiden schnellen
Mannschaftssportarten kaum. Doch während die Kufencracks
auch einmal locker über das Eis gleiten können, müssen
die Wasserballer immer mit den Beinen strampeln, um sich
über Wasser zu halten. Auf dem Eis sind fliegende
Wechsel erlaubt, im Wasser muss das Spiel unterbrochen
sein. Der Vergleich dürfte also knapp zu Gunsten der
Wasserballer ausfallen.
Spielzeit:
Die Spielzeit ist in vier Abschnitte unterteilt. Jeweils
sieben Minuten dauert ein Viertel. Bei
Spielunterbrechungen wird die Uhr angehalten. Von einer
viertelstündigen Pause wie etwa beim Fußball können
die Spieler nur Träumen. Gerade einmal zwei Minuten
bleiben ihnen, bis einer der beiden Schiedsrichter den
knallgelben Kunststoffball wieder in die Mitte des
Spielfeldes legen lässt.
Anpfiff:
Alle Spieler liegen an ihrer Tor-Ausline. Wenn der
Schiedsrichter das Spiel anpfeift und der kleine
Schwimmring, auf dem der Ball genau in der Mitte des etwa
20 Meter langen Spielfeldes ruht, auf den Beckengrund
gezogen wird, sprinten die besten Schwimmer der Teams, um
als erster an den Ball zu gelangen. Geschwommen wird
Kraul oder bei einem Rückzug manchmal Rücken, weil die
Spieler so Bal und Gegner im Blick halten können.
Nationalspieler schwimmen die 100 m Kraul meist deutlich
unter einer Minute und können oft mit guten Schwimmern
mithalten.
Mannschaft:
Sechs Feldspieler und ein Torwart sind in jeder
Mannschaft. Sechs Auswechselspieler warten am Beckenrand.
Fünf der sechs Feldspieler bauen sich meist in einem
Halbkreis vor dem gegnerischen Tor auf, der sechste
schwimmt als Center in die Mitte bis etwa zwei Meter vor
das Tor. In der Verteidigung gibt es wie im Fußball eine
Mann- oder Zonendeckung. Bundestrainer Hagen Stamm lies
sein Team gegen Griechenland Zonendeckung spielen.
Torwart:
Für die deutsche Mannschaft steht der gebürtige Russe
Alexander Tschigir im Tor. Der 32-Jährige ist der
Herausragende Spieler im Team, er bringt die Erfahrung
aus 364 Länderspielen für die frühere Sowjetunion und
Russland mit. Vor der WM spielte er bereits 71 Mal für
den Deutschen Schwimm-Verband (DSV). Tschigir ist beim
deutschen Abonnementsmeister Wasserfreunde Spandau 04
unter Vertrag und der einzige Profi im Team. Gute
Torleute können mit ihrer Beinarbeit für kurze Zeit so
weit aus dem Wasser kommen, dass die Badehose über der
Wasseroberfläche ist.
Fouls:
Wasserball gilt zu Unrecht als brutale Sportart. Sie ist
eher wie Fußball und Handball einzuordnen. Die Spieler
tragen eine reißfeste Badehose und eine Badekappe mit
Ohrenschützern aus Plastik, die unter dem Kinn
festgebunden wird, viele Spieler tragen einen Tiefschutz.
Verletzungen sind selten, weil die Tritte vom Wasser
abgebremst werden. Das es natürlich auch unfair zugehen
kann, zeigt die tiefe Bisswunde, die ein griechischer
Spieler Tim Wollthan im Auftaktmatch im Finger zugefügt
hat.
Bei einem Foul wird ein Spieler für 20 Sekunden vom Feld
gestellt, die Mannschaft spielt in Unterzahl weiter. Nach
drei persönlichen Fouls ist das Spiel für den Sünder
beendet. Die Mannschaft darf ihn aber im Gegensatz zur
Roten Karte im Fußball ersetzen. Ein Strafwurf wird aus
vier Metern ausgeführt.
Die deutsche Mannschaft:
Thilo Kaiser: Bayer Uerdingen, 23 Jahre, Student, 58 Länderspiele
Björn Kohle: Rote Erde Hamm, 20 Jahre, Soldat (Sportfördergruppe),
27 Länderspiele
Tobias Kreuzmann: ASC Duisburg, 20 Jahre, Soldat (Sportfördergruppe),
15 Länderspiele Sören Mackeben: Waspo Hannover-Linden,
22 Jahre, Azubi, 43 Länderspiele
Jens Pohlmann: Wasserfreunde Spandau 04, 23 Jahre,
Student, 79 Länderspiele
Daniele Polverino: Waspo Hannover-Linden, 21 Jahre,
Zeitsoldat, 11 Länderspiele
Timo Purschke: Wasserfreunde Spandau 04, 20 Jahre, Soldat
(Sportfördergruppe), 8 Länderspiele
Thomas Schertwitis: Wasserfreunde Spandau 04, 31 Jahre,
Student, 76 Länderspiele
Alexander Tschigir: Wasserfreunde Spandau 04, 32 Jahre,
Profi, 364 Länderspiele für Sowjetunion, GUS, Russland
und 71 Länderspiele für Deutschland
Patrick Weissinger: Wasserfreunde Spandau 04, 28 Jahre,
Student, 157 Länderspiele
Tim Wollthan: Bayer Uerdingen, 21 Jahre, Student, 52 Länderspiele
Michael Zellmer: Waspo Hannover Linden, 23 Jahre,
Student, 82 Länderspiele
(Frankfurter
Allgemeine Zeitung 19. Juli 2001)
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